Gesetz Nr. 52 und die Entstehung der Ämter für Vermögenskontrolle

Gesetz Nr. 52 der Militärregierung
Gesetz Nr. 52 der Militärregierung

Die Entnazifizierung der nationalsozialistischen Eliten – der NSDAP-Funktionäre, Banker, Unternehmer oder Generalstabsangehörigen – war in den Augen der alliierten Besatzungsmacht keineswegs eine rein juristische Angelegenheit. Alliierte Kontrollratsgesetzgebung und juristische Apparatur sollten bei solchen Kohorten weder nur die Reflexion auf die Vergangenheit hervorrufen noch strebten sie nach einer reinigenden, demokratisierenden Katharsis. Essenz alliierten Entnazifzierungshandelns bildete vielmehr der sich auf die Verbrechen des Nationalsozialismus bildende Wille, begangenes Unrecht zu vergelten sowie berufliche und private Lebenspraxen durch eigentumsrechtliche Beschlagnahmung und Inhaftierung lahmzulegen. Ein strafrechtliches Ansinnen auf reeducation, auf eine langfristig angestrebte Umerziehung der Deutschen zu mündigen Demokraten, stand in der  unmittelbaren Nachkriegszeit genauso wenig auf der Agenda wie die Entfachung eines kapitalistischen Wirtschaftsliberalismus mit den Verheißungen einer industrial democracy.

Grundlage von punishment und property control, der sogenannten Vermögenskontrolle, die es erlaubte, die Konten juristisch exakt definierter Kohorten einzufrieren, bildete das am 14.7.1945 von der amerikanischen Militärregierung verabschiedete und von der französischen Militärregierung übernommene Gesetz Nummer 52. Es legte Vermögensarten fest und präzisierte all jene Gruppen, die unter Vermögenskontrolle zu stellen waren. So nannte die 1. allgemeine Anordnung des Gesetzes in weit über 40 Einzelgruppen Generalstabsangehörige, Universitätsrektoren, die Angehörigen des nationalsozialistisch-zivilterroristischen Sicherheitsapparates, Regierungsbeamte jeglicher Couleur, Journalisten, Banker u.v.a.m. als ad hoc zu sperrende Gruppen. In wirtschaftlicher Hinsicht nannte es „Angehörige der Deutschen Lufthansa AG ab dem 1. April 1933“ sowie „Leiter, Vorsitzende und Präsidenten der Reichswirtschaftskammer, der Reichsgruppen, der Reichsverkehrsgruppen, Wirtschaftsgruppen, Wirtschaftskammern und angeschlossenen Wirtschaftskammern sowie deren Stellvertreter“ sowie die für Unternehmer besonders relevante Gruppe der „Wehrwirtschaftsführer“.

An Stelle der entlassenen Unternehmer trat in den Betrieben ein von der Militärregierung bestellter Treuhänder. Den Eigentümern war das Betreten der Betriebe bis zu ihrer Rehabilitierung durch ein Spruchkammerverfahren verboten. Der Vermerk der Vermögenskontrolle wurde zudem in das Handelsregister eingetragen. Bankkonten sperrte die Stuttgarter Landesbank. Vermögenskontrollierten Personen standen fortan maxiaml 200 Reichsmark im Monat zur Verfügung.

Die wichtigste Verbindung der Ämter in die Betriebe bildete dabei der Treuhänder. Ein Beispiel bildete etwa ein Wäsche- und Aussteuerartikelbetrieb in Aalen, deren Eigentümer K. Treuhänderbeschwerde beim zuständigen Amt für Vermögenskontrolle in Aalen einreichte. K. monierte die angeblich schlechte Geschäftsführung des ihm vorgesetzten Treuhänders. Er warf ihm vor, Geschäfte zu tätigen, die den Warenbestand in ihrem Wert minderten und das Unternehmen als solches in seiner Existenz gefährdeten.

Der Vorgang zeigt ferner, wie scheinbar unmöglich manche Entnazifizierungs- und Vermögenskontrollverfahren abliefen, wenn selbst solche Personen von belasteten Unternehmern gegen das Amt für Vermögenskontrolle in Stellung gebracht werden konnten, die eigentlich für deren Schuldfindung verantwortlich zeichneten. So informierte das Amt die zuständige Hauptabteilung VI des württemberg-badischen Finanzministeriums, die als Verwaltung gesperrter Vermögen (VGV) neben der Militärregierung die Zentralinstanz für Vermögenskontrollfragen bildete, darüber, dass K. nicht nur bestrebt gewesen sei,  „alle möglichen Stellen und Personen einzuschalten“, sondern obendrein „Rechtsanwalt Doktor Engert, der zugleich erster Spruchkammervorsitzender der Spruchkammer  in Aalen ist, beauftragt, hier vorstellig zu werden.“

Trotz der Proteste des Amtes bei der Hauptabteilung VI schied der bis dahin zuständige Treuhänder rund 3 Monate später „auf eigenen Wunsch“ und nicht, so betonte das Amt nachdrücklich gegenüber seinem Nachfolger, „aufgrund irgendwelcher Verfehlungen“ aus der Treuhänderschaft aus, vermutlich um eine eigene Herrenwäschefabrik in Aalen zu gründen. Den neuen Vermögensverwalter gemahnte das Amt, er habe sorgfältig darauf zu achten, dass K. keinerlei Waren horte. Zudem informierte es ihn, K. habe versucht, seine Tochter als Treuhänderin zu installieren, um mit ihrer Hilfe seines Vorgängers habhaft zu werden. Damit hatte sich K. einer ebenfalls bei anderen belasteten Unternehmern überaus beliebten kognaten Nachfolgeregelung zu bedienen versucht, um trotz Sperre über einen Strohmann, der idealerweise ein vertrauter Verwandter war,  weiterhin Einfluss auf die Geschäfte auszuüben. Verwandtschaftsnah und wirtschaftsrational hatte sich auch die Weiterbeschäftigung seiner Ehefrau als Kassiererin im Geschäft gestaltet, was das Amt jedoch ebenfalls zu unterbinden wusste.

Das Geschäft wurde 1948 nach der erfolgreichen Einstufung K.‘s als Mitläufer aus der Vermögenskontrolle entlassen. Beschwerden, die zu ständigen Wechseln des Treuhänders führten, zählten in der Phase der formellen Inkontrollnahme zu den gängigsten Strategien, um ungenehme Vermögensverwalter idealiter gegen vertraute Familienmitglieder auszutauschen und Einflussmöglichkeiten auf den Betrieb zu wahren. Letztlich war es jedoch immer erst der Spruchkammerbescheid – in betrieblichen Wiedergutmachungsfällen auch ein abschließendes Schiedsverfahren –  die zum Ende der Inkontrollnahme führten. Der hier beleuchteten Firma sollte wie vielen anderen der Wiedereinstieg in die Konsum- und Marktwirtschaft der beginnenden Bundesrepublik gelingen, ehe sie erst nach weiteren 73 Jahren 2009 in dritter Generation insolvent gehen sollte.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht.