Kontakt
Christian Gerhard Kelch, M.A.
Historisches Seminar
Forschungsstelle Antiziganismus an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg
Hauptstraße 216
69117 Heidelberg
E-Mail:
christian.kelch@zegk.uni-heidelberg.de
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Unser Mitarbeiter Dr. Christian Kelch ist am 16. September 2020 nach schwerer Krankheit verstorben. Er wurde 39 Jahre alt. Christian Kelch studierte Neuere und Neueste Geschichte, Politikwissenschaften sowie Osteuropäische Geschichte an der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Dort hat er im Juli 2018 seine geschichtswissenschaftlichen Dissertation „Dr. Hermann Arnold und seine ,Zigeuner‘. Zur Geschichte der ,Grundlagenforschung‘ gegen Sinti und Roma in Deutschland unter Berücksichtigung der Genese des Antiziganismusbegriffs“ erfolgreich verteidigt. Im November 2018 übernahm Christian Kelch die Postdoc-Stelle innerhalb des Forschungsprojekts „Kontinuitäten des Antiziganismus in Baden-Württemberg nach 1945“, das von der Baden-Württemberg Stiftung gefördert wird. Seine mit großem Enthusiasmus betriebenen Recherchen wurden durch die Erkrankung jäh unterbrochen. Mit großer Tapferkeit ertrug er die Nebenwirkungen der Behandlung. Bis zuletzt hoffte er, die Krankheit zu besiegen und seine Forschungen zu einem guten Abschluss zu bringen. Mit Christian Kelch verliert die Forschungsstelle Antiziganismus einen kompetenten, hochengagierten Wissenschaftler und liebenswerten Kollegen, den wir in dankbarer Erinnerung behalten werden.
„Antiziganismus im postnationalsozialistischen Baden-Württemberg“
Im Zentrum der Analyse steht der Umgang mit den südwestdeutschen Sinti und Roma nach dem Versuch ihrer vollständigen Vernichtung durch die Nationalsozialisten. Die Nachkriegsgeschichte der Sinti und Roma in Deutschland wird im bundesdeutschen Kontext als fortgesetzte Diskriminierung der Angehörigen der Minderheit rezipiert.
Zentrale archivalische Quellen für das vorliegende Teilprojekt mit dem Arbeitstitel „Antiziganismus im postnationalsozialistischen Baden-Württemberg“ sind die translokalen Bestände der Landespolizeidirektionen in Karlsruhe (für Baden) und Stuttgart (für Württemberg), die neben Quellen der Exekutiven auch Hinweise auf das „Zigeuner“-Bild anderer staatlicher Stellen liefern. Außerdem werden die sogenannten „südwürttembergischen Bestände“ im Staatsarchiv Sigmaringen und vorhandene gleichartige Bestände in anderen Standorten des Landesarchivs Baden-Württemberg gesichtet und durch eine Recherche nach zusätzlichen Dokumenten in den jeweils in Frage kommenden Stadt- und Kreisarchiven ergänzt.
Neben der Analyse des behördlichen Umgangs mit Angehörigen der Minderheit – insbesondere auf kommunaler Ebene – wird ein besonderes Augenmerk auf frühe Formen der Hilfe für die in der Regel aus nationalsozialistischer Lagerhaft (zurück-)kommenden Sinti und Roma geworfen. Untersucht wird ferner, inwieweit die mehrheitsgesellschaftlichen Einstellungen gegenüber den nach wie vor als „Zigeuner“ und nunmehr auch als „Landfahrer“ angesprochenen Angehörigen der Minderheit in Kontinuität zum nationalsozialistischen „Zigeuner“-Bild standen oder ob sich veränderte Wahrnehmungsmuster nachweisen lassen. Hierbei soll berücksichtigt werden, inwieweit sich der Umgang mit den überlebenden Sinti und Roma in den Vorgängerstaaten Baden-Württembergs, die unter der Aufsicht verschiedener (Württemberg-Baden unter amerikanischer und Baden sowie Württemberg-Hohenzollern unter französischer) Besatzungsmächte standen, in der frühen Nachkriegszeit unterschieden hat oder nicht. Eine weitere wichtige Quellengrundlage für das Teilprojekt bilden die Bestände der ehemaligen Landesämter für Wiedergutmachung. Neben einer Analyse der von behördlicher Seite im Zuge der Wiedergutmachungsverfahren tradierten Feindbilder (Katharina Stengel) soll bei der Recherche der Perspektive der Angehörigen der Minderheit und ihrer (anwaltlichen) Unterstützer – sofern es die Dokumente hergeben – eine besondere Beachtung zukommen.
Diese auf umfangreichen Archivrecherchen beruhende Analyse der Wahrnehmung der Sinti und Roma aus institutioneller Perspektive soll, soweit möglich, durch eine Auswertung von Quellenbeständen der südwestdeutschen Öffentlichkeit anhand von Zeitungsberichten ergänzt werden. Schließlich soll recherchiert werden, ob in den ehemals zu den Zentren der sogenannten „Rassenkunde“ gehörenden Universitäten Tübingen und Freiburg auch nach 1945 über den Themenkomplex „Zigeuner“ und „Landfahrer“ geforscht wurde bzw. wie mit den Forschungen der NS-Zeit umgegangen wurde. Da hinsichtlich des Antiziganismus – im Gegensatz zum offenen (nicht dem latenten) Antisemitismus – bis zur Ablösung der im Nationalsozialismus sozialisierten Beamten und städtischen Angestellten von einer Kontinuität auszugehen ist, erstreckt sich der Untersuchungszeitraum des Teilprojekts bis hinein in die 1970-er Jahre.