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Laura Hankeln, geb. Notheisen
Historisches Seminar
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Antiziganistische Kontinuitäten in der baden-württembergischen Kriminalpolizei (1945-1970)
Im Fokus der Studie stehen antiziganistische Denkmuster innerhalb der polizeilichen Exekutive in Baden-Württemberg, die auch nach dem Ende der NS-Diktatur und dem demokratischen Neubeginn handlungsleitend waren. Zahlreiche frühere Täter aus dem Bereich der Kriminalpolizei stritten ihre Verantwortung für die Verfolgung von Sinti und Roma ab, nur die wenigsten wurden für ihre Beteiligung am Völkermord strafrechtlich belangt. In Spruchkammerverfahren lediglich als „Mitläufer“ eingestuft, konnten sie nach einer kürzeren Zwangspause wieder in den öffentlichen Dienst zurückkehren. Auf eben diese von der nordbadischen und nordwürttembergischen Regionalforschung bislang kaum beachtete Beamtengruppe richtet das Dissertationsprojekt sein Augenmerk. Die Studie konzentriert sich auf das Verwaltungspersonal der baden-württembergischen Kriminalpolizei, das bereits zu Zeiten der nationalsozialistischen Diktatur auf dem Feld der „Zigeunerbekämpfung“ tätig war. Die Untersuchung setzt ein mit der Kapitulation des Deutschen Reiches und der Auflösung der deutschen Polizei durch die Besatzungsmächte. Sie endet um 1970, da circa 25 Jahre nach Kriegsende der Einfluss dieser Generation auf behördliche Praktiken schwand. Im Mittelpunkt der Arbeit stehen verschiedene Ebenen des Polizeiapparates: das Landespolizeipräsidium, das Landeskriminalamt und die Kriminalpolizeiabteilungen der Polizeipräsidien Stuttgart sowie Karlsruhe.
Folgende Fragen sind erkenntnisleitend: Wurden die polizeilichen Strukturen nach dem Zusammenbruch der nationalsozialistischen Diktatur komplett erneuert oder lassen sich Gemeinsamkeiten feststellen? Und vor allem: Was lässt sich zur personellen und damit einhergehend zur ideologischen Kontinuität im Kripoapparat aussagen? Durch die Verankerung der Kriminalpolizei im Verwaltungsapparat sind nicht nur die Zusammenarbeit und die Korrespondenz mit anderen Behörden sowie Ministerien, sondern auch das Wechselspiel zwischen regionalen und überregionalen oder nationalen Maßnahmen von Interesse. Welchen Einfluss hatten beispielsweise das baden-württembergische Innenministerium, das Justizministerium oder das Bundeskriminalamt auf die Arbeit der Kriminalpolizei und die Behandlung der Minderheit? Gab es einen bundesweiten Austausch hinsichtlich der angewandten Politik? Gleichermaßen sollen die Weltanschauung und die Mentalität der mit Sinti und Roma befassten Beamten näher untersucht werden. Welches „Zigeuner“-Bild lag ihren Entscheidungen zugrunde? Prägten die nationalsozialistische Ideologie und die kriminalbiologischen Paradigmen und antiziganistische Grundhaltungen die Handlungen des nach 1945 eingesetzten Personals? Setzte die Kriminalpolizei die Ausgrenzung und Diskriminierung von Sinti und Roma nach Kriegsende fort oder lassen sich in den polizeilichen Praktiken auch Brüche beziehungsweise Zäsuren erkennen? Welchen Einfluss besaß die Kriminalpolizei bei der „Wiedergutmachung“ und wie nutzten die Beamten ihre Machtposition in diesem Bereich?