Dr. Florian Brückner

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Dr. Florian Brückner
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Unternehmensstrategie Entnazifizierung: Exkulpation und Vermögenskontrolle baden-württembergischer Familienunternehmen 1945 – 1952

Der Typus des selbstständigen, auf Rechtsstaatlichkeit und Konstitutionalismus pochenden bürger-lichen Unternehmers hatte seit Beginn des 19. Jahrhunderts den Initiator für die Liberalisierung und Demokratisierung des deutschen Südwestens gebildet. Imperiales Ausgreifen nach neuen Märkten 1914 sowie aktive Zerstörungsarbeit an der Weimarer Republik durch mittelständische und großindustrielle Unternehmer 1930/33 hatten dieses Selbstverständnis jedoch moralisch ‚insolvent‘ werden lassen. Unternehmer wie Hugo Boss, Ferdinand Porsche oder Alfred Breuninger – von Rüstungsindustriellen ganz zu schweigen – sahen sich in der NS-Zeit zu lukrativen, jedoch von staatlichen Lenkungsstellen der Zwangsbewirtschaftung abhängigen Auftragnehmern der Nationalsozialisten degradiert. Im Zuge der 1945 einsetzenden Entnazifizierungsverfahren hatte sich auch diese Berufsgruppe vor den Spruchkammern der 3 Nachfolgeländer Baden, Württemberg-Baden und Württemberg-Hohenzollern zu verantworten.

Während sich die unternehmensgeschichtliche Forschung in Einzelstudien intensiv der Nachkriegsentwicklung und erinnerungskulturellen Aufarbeitung deutscher Vorzeigebetriebe gewidmet hat, ist doch bislang nicht systematisch nach den eigentumsrechtlichen Hürden gefragt worden, die das Entnazifizierungsverfahren für all jene Unternehmer aufwarf, die sich mit dem NS-Regime eingelassen hatten. Denn bei einer Einstufung in die Kategorien „Hauptschuldiger“ und „Belasteter“ konnte unternehmerisches Vermögen durch eigens hierfür eingerichtete Ämter entzogen bzw. unternehmerische Tätigkeit von Seiten der alliierten Militärregierung für bis zu 10 Jahre untersagt werden. Zusammen mit dem ebenfalls unterbelichteten Komplex der Vermögenskontrolle verfügten die Behörden damit über eine scharfe Sanktionsmöglichkeit, indem sie Unternehmer an ihrer empfindlichsten Stelle – der Verfügung über ihr Eigentum – treffen konnten.

Das Projekt untersucht daher systematisch 200 südwestdeutsche Unternehmer aus Klein-, Mittel- und Großbetrieben, um deren Strategien zur „Schadensminimierung“ herauszuarbeiten und eventuelle Eingriffe in ihre unternehmerische Verfügungsgewalt zu konturieren. Beschleunigten die Verfahren in zahlreichen Familienbetrieben womöglich auf der Führungsebene indirekt einen Demokratisierung und Liberalisierung zu Gute kommenden Generationenwechsel? Welche konkurrierenden Netzwerke bildeten sich zwischen ökonomisch abhängigen Städten und Unternehmen einerseits sowie den Institutionen der Entnazifizierung andererseits? Über welche betriebsinterne Handlungsmacht verfügten ferner die in Entnazifizierungskomitees vertretenen Betriebsräte gegenüber der Führungsspitze? Diesen Fragen geht die anvisierte Studie mithilfe wirtschaftssoziologischer sowie familiengeschichtlicher Methoden aus landesgeschichtlicher Perspektive nach.